Aktion an der MS Dietfurt: Erfahrungen mit handyfreier Zeit

Solidarität macht stark: Freiwilliger Handyverzicht einer Schulklasse
Fast vier Tage verzichteten 18 mutige Mittelschüler und zwei Lehrer aus der Dietfurter M 8 auf ihr Handy. Freiwillig geschah das, nachdem im Religionsunterricht mit den Lehrern Pia Nürnberger und Michael Waldmüller das Thema „Sehnsucht nach Sinn“ die Sprache auf verschiedene Süchte und damit auch auf den hemmungslosen Handykonsum brachte. Der Advent als Zeit des Innehaltens und der Konzentration auf Wesentliches stieß das Projekt an. Mit Ehrgeiz hielten alle durch bis zur letzten Schulstunde am Freitag, als in einer goldenen Schachtel die Handys wieder aus dem Schultresor geholt wurden. Interessant und nostalgisch angehaucht waren die Erfahrungen der Jugendlichen, die das Telefonieren über das Festnetz sogar wieder einmal probiert hatten. Elias bedauerte, dass er nicht nach der vergessenen „Hausi“ fragen und sich die entsprechenden Anweisungen schicken lassen konnte. „Komisch“ war es, aus Langeweile wurde Nintendo gespielt. Der Schlaf stellte sich ab neun ein. „Zeit für mich“ empfand er positiv, auch dass er mal wieder mit dem Nachbarn spielte oder sich einfach nur ausruhte. Dass er keine Musik hören konnte, störte Markus sehr, weil ihm zwei Stunden musikalische Entspannung täglich fehlten. Die Stereoanlage wurde angeworfen, deren Angebot „kann ich jetzt auswendig“, berichtete er. „Scharf vermisst“ hat er das Handy, Spaß habe der Entzug nicht gemacht, trotzdem empfand er die Aktion positiv. „Bist du behindert?“, sei er gefragt worden, als er Freunden vom Projekt  erzählte. Gelegenheit zum „Ratschen“ fand Anna, die sich auch anderweitig beschäftigte, es aber nicht noch einmal hergeben  möchte. Die Mama habe hinter dem Handyentzug zuerst eine Strafe vermutet. „Keine Termine ausmachen“ konnte Johannes, aber er fühlte sich „viel ausgeschlafener“  und „furchtbar aktiv“. Ein Buch tröstete Nicole, die sonst das Handy als Einschlafhilfe bemüht. Sebastians Bruder meinte, dass es sinnvoller gewesen wäre, die Playstation abzugeben. Mit Fernsehen vertrieb er sich die Zeit. Beim Lernen im Schulbus auf dem morgendlichen Schulweg fehlte Max das Handy als Beleuchtungskörper. Doch weil auch sein altes Handy oft reparaturbedingt ausfiel, hatte er im Verzicht Routine. Nicole erkannte in den Tagen „wie oft man aus Langeweile aufs Handy schaut“. Lob gab es für das Durchhaltevermögen der ganzen Truppe. Auch der Lehrer, der sein i-Pad abgab, machte „total positive“ Erfahrungen, schlief vor Müdigkeit früh ein, seine Frau wollte sogar Verlängerung der Aktion, mürrisch habe aber der Sohn reagiert. Religionspädagogin Pia Nürnberger berichtete über Beobachtungen am Partner, der immer wieder aufs Handy blickte, meist nur um die Uhrzeit festzustellen. Sie selbst habe ohne Handy an ihrem Einsatzort jedoch nicht von einer Verspätung wegen einer Umleitung Bescheid geben können. Sein Handy unter dem Kopfkissen habe Kopfschmerzen verursacht, erzählte einer, der merkte, dass die Beschwerden verschwanden, als er damit aufhörte. Der Klassenlehrer klärte über mögliche gesundheitliche Störungen und Schäden durch die Strahlung auf und redete den Schülern ernsthaft ins Gewissen, als auch von langen Handynächten bis ein Uhr berichtet wurde. Elf Uhr sei die Grenze, „damit der Akku durch den Schlaf wieder aufgeladen wird“. Unter heftigem Protest gab es erst einmal Verlängerung für das Wochenende, an dem die Jugendlichen dem virtuellen Zeitvertreib, der Kontaktpflege und Kommunikation wieder frönen konnten. 


In die Zeiten alter Schulbänke mit Klappsitz und Tintenfass zurück versetzt hatten sich die Schüler gefühlt in der handylosen Zeit. Enorme Wiedersehensfreude herrschte, als sie ihr Handy als Spielkameraden, Unterhaltungsdienst und Kommunikationsmittel wieder in Händen hielten. Kaum ein Blick konnte sich vom Display lösen.  

siehe auch: Zeitungsbericht